Arbeitskreis Behinderte an der Christuskirche

Frau Hildemargret Ritter

Todesanzeige Frau Ritter

Nachruf für Hildemargret Ritter, geb.18.1.1924 in Berlin, gest. 2.3.2015 in Freiburg.

Aufgewachsen ist Hildemargret Ritter als älteste Tochter von Pfarrer Hermann Weber im Pfarrhaus der Christuskirche, in das sie Jahre später als Ehefrau von Frido Ritter, ebenfalls Pfarrer an dieser Kirche, wieder einziehen sollte. Hermann Weber, ihr Vater, war Kopf des kirchlichen Widerstandes in Freiburg gegen die Diktatur des dritten Reiches. Zusammen mit Professor Gerhard Ritter, ihrem späteren Schwiegervater, und anderen war er Vorbereiter des „Freiburger Kreises“, einer Gruppe des Widerstands gegen den Nationalsozialismus, bestehend aus Angehörigen der Kirche und der Universität.

Neben Erlebnissen der Verfolgung und Inhaftierung von Familienmitgliedern und Freunden im Dritten Reich, wurde sie geprägt durch die Erfahrung, eine Schwester mit Down-Syndrom  durch die Zeit des Dritten Reichs schützen und versorgen zu müssen.

Ab 1965 kam Hildemargret Ritter in ihrer Zeit als Pfarrfrau an der Christuskirche rasch wieder mit Menschen mit Handikap in Kontakt. 1969 wurden sechs geistig beeinträchtigte Waisenkinder für den Konfirmationsunterricht bei ihrem Mann, Pfarrer Frido Ritter, zur Konfirmation angemeldet. Parallel dazu begann Hildemargret Ritter an einer kaum bekannten Schule für „praktisch bildbare Kinder“ (so wurden damals Kinder mit Handicap genannt) ökumenischen Religionsunterrichtnterricht zu geben. Für diese Menschen entwickelte sie gemeinsam mit ihrem Mann behindertengerechte Gottesdienste und auch Freizeitveranstaltungen, die bald von der Gemeinde der Christuskirche nachhaltig unterstützt wurden. Immer mehr Eltern fragten nach weiteren Freizeitangeboten für ihre beeinträchtigten Kinder nach.

Inklusion war für Hildemargret Ritter bereits in den 1970er-Jahren kein Fremdwort. Durch ihr Engagement fanden beeinträchtigte Kinder und Jugendliche, bald auch Erwachsene eine Heimat in der Christusgemeinde. Nicht nur der von ihr 1970/1971 gegründete Arbeitskreis für Behinderte an der Christuskirche (ABC), sondern auch ein später ins Leben gerufener Förderverein ebnete vielen bedürftigen Menschen den Weg. Besonders die Kirchenfeste und Samstagspartys, die zusammen mit den beeinträchtigten Menschen gefeiert wurden, halfen eine fröhliche Atmosphäre unter den Gemeindemitgliedern zu schaffen und die Verunsicherung in den Begegnungen zu überwinden. Unermüdlich kümmerte sie sich nicht nur um die gehandicapten Menschen, sondern stand auch deren Eltern mit Rat und Tat zur Seite. In dem Pfarrgarten der Christusgemeinde, dem "Paradiesgärtlein", in dem rote Rosen, Johannisbeeren, Pfirsiche und Kirschen wuchsen, spielten Kinder und Jugendliche und oft ließ Frau Hildemargret Ritter dann ein Körbchen mit Süßigkeiten aus der Pfarrwohnung herab, die heute den ABC beherbergt.

Auch nach ihrem Umzug nach Offenburg, jetzt als Dekansfrau, blieb sie dem ABC eng verbunden.

Durch über 100 engagierte  Christusgemeindemitglieder des zum Erhalt dieser Heimat gegründeten Vereins "Freunde des Gemeindehauses Maienstrasse 2" konnte, nachdem der Verkauf des Hauses drohte, diese Heimat erhalten bleiben. Ihr letzter Kontakt als fast Neunzigjährige, fand anlässlich einer Veranstaltung des Vereins 2014 im Gemeindehaus statt.

Ihr Rat, wenn einmal etwas nicht gleich gelungen ist: Sei getrost und unverzagt und setze Deine Hoffnung in Gott. Auch in schweren Zeiten, war ihr Gottesglaube unerschütterlich.

Dr. Berthold Ritter


Nachruf Frau Hildemargrit Ritter

Im Weihnachtsbrief von Hildemargrit und Frido Ritter vom Jahr 2007, kurz vor seinem Tod im Januar 2008, war das Foto eines knorrigen alten Birnbaums abgedruckt. Manche unter ihnen erinnern sich vielleicht. Der Baum stand an dem Lieblingsspazierweg der Beiden. Über diesen Birnbaum machten sie sich im Brief Gedanken. Steht er noch dort weil er an die Zeiten erinnert, in denen er gute Ernte einbrachte?

Sie und ich, wir projezieren den Baum zurück und sehen an ihm jedes Jahr immer mehr Früchte hängen: lachende Früchte, tanzende Früchte, glückliche, fröhliche, leise und laute Früchte, große und kleine... Volle Körbe, reiche Ernten an einem Baum der Erkenntnis dessen, was notwendig war.

Und wir übersetzen... ja, eine reiche Ernte ein kostbares Geschenk, der ABC, Arbeitskreis Behinderte an der Christuskirche, ein bleibendes Geschenk für viele Menschen in Freiburg und darüber hinaus. Für das Pfarrerehepaar waren Gemeinde, im weiten Sinn, und Diakonie eine Einheit. Die Pfarrfrau, geprägt von ihrer Kindheit und Jugendzeit sie kennen diese sah sich um, sah hin, überlegte, setze in die Tat um, Schritt für Schritt und holte Jugendliche mit Behinderung aus der behüteten Enge und Isolation in die Weite des selbstverständlichen normalen miteinanders.

Sie hat damit eine wunderbare, nachhaltige, erfolgreiche Entwicklung angestoßen. In ihrem Herz und in ihrem offenen, weit ausgebreiteten Armen hatte der ABC immer, bis zuletzt, seinen besonderen Platz.

In tiefer Verbundenheit und Dankbarkeit nimmt der ABC Abschied mit allen die dazu gehören, zusammen mit dem Diakonischen Werk und der Christusgemeinde.

Von Irmengard Nübel, am 13. März 2015